Niemand kümmert sich um Morgen

Anastacia ist in Kenia in einem Slum in Nairobi aufgewachsen. Warum das Leben so herausfordernd war und was ihr eine neue Perspektive gab, erzählt uns die 25-Jährige bei einem Treffen in Nairobi. Ein kleines Team von Compassion Deutschland ist nach Kenia gereist, um die Arbeit vor Ort kennenzulernen.  

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Niemand kümmert sich um Morgen

Anastacia ist in Kenia in einem Slum in Nairobi aufgewachsen. Warum das Leben so herausfordernd war und was ihr eine neue Perspektive gab, erzählt uns die 25-Jährige bei einem Treffen in Nairobi. Ein kleines Team von Compassion Deutschland ist nach Kenia gereist, um die Arbeit vor Ort kennenzulernen.  

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„In einem Slum aufzuwachsen, ist herausfordernd. Es ist ein Kampf ums wirtschaftliche Überleben“, erzählt uns die 25-Jährige.

Gemeinsam mit ihren Brüdern hat sie bei ihren Eltern am Rande Nairobis gelebt. Ihr Vater arbeitete als Bauarbeiter, ihre Mutter hat eigentlich alles mal gemacht, so Anastacia: „Sie hat das gemacht, was ihr vor die Füße kam. Das ist ein Teil des Lebens, wenn man dort aufwächst.“ 

Nun sitzt uns Anastacia selbstbewusst im Businessoutfit gegenüber: blaugrüner Blazer mit einem blau-weiß gestreiften Hemd. Seit einiger Zeit arbeitet sie für ein Schweizer Unternehmen, das sich auf Consulting und Impact Investment fokussiert. Im Rücken hat sie einen Bachelorabschluss in „International Relations und Development“. Im Anschluss studierte sie zwei Jahre in Paris, um ihren Master in „Public Policy“ zu absolvieren. Seit gut einem Jahr ist sie zurück in Nairobi und steht fest im Berufsleben.  

„In einem Slum aufzuwachsen, ist herausfordernd. Es ist ein Kampf ums wirtschaftliche Überleben“, erzählt uns die 25-Jährige.

Gemeinsam mit ihren Brüdern hat sie bei ihren Eltern am Rande Nairobis gelebt. Ihr Vater arbeitete als Bauarbeiter, ihre Mutter hat eigentlich alles mal gemacht, so Anastacia: „Sie hat das gemacht, was ihr vor die Füße kam. Das ist ein Teil des Lebens, wenn man dort aufwächst.“ 

Nun sitzt uns Anastacia selbstbewusst im Businessoutfit gegenüber: blaugrüner Blazer mit einem blau-weiß gestreiften Hemd. Seit einiger Zeit arbeitet sie für ein Schweizer Unternehmen, das sich auf Consulting und Impact Investment fokussiert. Im Rücken hat sie einen Bachelorabschluss in „International Relations und Development“. Im Anschluss studierte sie zwei Jahre in Paris, um ihren Master in „Public Policy“ zu absolvieren. Seit gut einem Jahr ist sie zurück in Nairobi und steht fest im Berufsleben.  

Ein drastischer Gegensatz zu dem, wie sie aufgewachsen ist. „Heute kann ich selbst entscheiden, wann ich etwas esse oder ob ich nur eine Mahlzeit am Tag habe“, so Anastacia. „Aber im Slum als Kind ist es eine Art Überlebensstrategie. Man tut es, weil man es muss. Ungewöhnlich war es nicht, keine drei Mahlzeiten zu haben – und drei sind schon weit hergeholt“, blickt sie auf die Zeit zurück. 

Anastacia kann nicht genau sagen, welchen Jobs ihre Mutter alles nachging. „Meine Mutter hat die Jobs gemacht, die sie kriegen konnte. Sie hat zum Beispiel als Reinigungskraft oder in der Landwirtschaft gearbeitet. Meine Eltern haben das Nötige getan, um Essen auf den Tisch zu bringen. Aber ein beständiges Einkommen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, hatten sie nie.“ 

Das Leben im Slum, so beschreibt es Anastacia, war vorhersehbar. „Du wachst morgens auf und entscheidest dich, nicht zur Schule zu gehen. Nicht weil du keine Lust hast, sondern weil du beispielsweise nicht einschätzt, wie wichtig schulische Bildung ist. Oder du möchtest deinen Eltern helfen, Essen auf den Tisch zu bringen. Vielleicht haben sie einen kleinen Marktstand und du möchtest sie dort unterstützen.“  

Es waren nicht nur die finanziellen Sorgen, die den Alltag erschwerten. „Eine größere Herausforderung war der Mangel an Perspektive. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie das Leben außerhalb des Slums ist.“  

Jeden Tag ist man im Slum dem Druck und dem Kreislauf der Umgebung ausgesetzt. „Menschen tun dort alles, um zu überleben. Es war nicht ungewöhnlich, dass Leute aus nächster Nähe erschossen wurden“, beschreibt Anastacia die brutale Realität. „Junge Leute werden von der Polizei erschossen, weil sie Teil einer Gang sind. Manchmal triffst du Freunde oder Menschen, mit denen man aufgewachsen ist und allein das erhöht das Risiko zu sterben – einfach durch Assoziation.“ So verlief praktisch Anastacias Leben. „Es geht nur ums Heute. Niemand kümmert sich um Morgen“, fasst die Kenianerin die Wirklichkeit zusammen, in der sie aufwuchs.  

Ein Hoffnungsschimmer? 

Anastacia war gerade fünf Jahre alt, als ihre Mutter ihr freudestrahlend mitteilte, dass sie am Compassion-Patenschaftsprogramm teilnehmen darf. „Ich wusste nicht, was das genau bedeutete. Aber ich kannte Kinder, die ins Compassion-Kinderzentrum gingen. Und wir, die dort nicht hingingen, waren immer ein bisschen neidisch auf die anderen.“ 

Die Mädels und Jungs, die das Kinderzentrum besuchten, brachten oft etwas zu essen mit nach Hause, erinnert sich Anastacia. Die Geburtstage der Kinder und Jugendlichen wurden dort gefeiert. „Es waren die kleinen Dinge, bei denen ich dachte: ‚Ok, da werde ich dabei sein.‘“ 

Das Kinderzentrum, das Anastacia von nun an einmal die Woche besuchte, lag in der Vorstadt – etwa 30 Minuten lief sie dort zu Fuß hin. Als sie dort das erste Mal hinging, sah sie die vielen Häuser, bemerkte aber, dass dort viel weniger Menschen wohnten. Es war das Gegenteil des Viertels, in dem sie lebte. „Das Leben sah dort einfach komplett anders aus. Zwischen dem Ort, wo ich wohnte, und dem Compassion-Kinderzentrum lagen Welten.“ 

Das weckte Anastacias Neugier und auch Eifer. „Ich dachte, ich kann vielleicht ein besseres Leben haben. Es gibt Leute, die dieses Leben leben. Es ist einer der wichtigsten Gründe, warum sich etwas in mir verändert hat. Ich habe ein Leben kennengelernt, von dem ich vorher nichts wusste.“ Die 25-Jährige fügt hinzu: „Wisst ihr, man kommt aus einer Gegend, in der die Menschen damit beschäftigt sind, zu überleben. Niemand denkt darüber nach, was aus dir werden könnte. Sie haben einfach keine Zeit dafür.“  

Im Compassion-Kinderzentrum nahmen sich die Mitarbeiter bewusst Zeit für Anastacia und die anderen Kinder und Jugendlichen. „Sie kümmerten sich um mich, sprachen mit meinen Eltern und schlugen ihnen zum Beispiel Schulen für mich vor. Das war eine wunderbare Erfahrung. Man sieht, welche Möglichkeiten es für einen geben würde. Mir gab das sehr viel Hoffnung.“  

Auch eine Patin an ihrer Seite zu wissen, hat für Anastacia einen Unterschied gemacht. „Meine Patin hat mich ermutig und daran erinnert, dass so viel Potenzial in mir steckt. Ich erinnere mich, dass sie mir damals schrieb, dass sie die Uni besucht. Mein erster Gedanke war: ‚Das werde ich vermutlich auch eines Tages machen.‘ Es waren Dinge, von denen ich nichts wusste, aber dachte. Das möchte ich versuchen.“ 

Was genau im Kinderzentrum passierte, daran erinnert sich Anastacia nicht mehr im Detail. Viele Dinge hätte sie wohl nicht erlebt, Ausflüge zum Nationalpark zum Beispiel. Und es gab Kuchen. „Die Compassion-Mitarbeiter fragten uns, wer in dem Monat Geburtstag hat. Wir sollten die Hand heben. Denn dann gab es Geburtstagskuchen für die Kinder. Der Legende nach hatte ich jeden Monat Geburtstag und habe von jedem Geburtstagskuchen probiert.“ 

Ein kleines großes Wunder 

Anastacia war zwölf Jahre, als in der Schule einige Leute auftauchten, die von einem Casting sprachen und nach einer Schauspielerin suchten, um in Großbritannien zu arbeiten. „Weil ich eine sehr engagierte Schülerin war, egal ob im schulischen oder nicht-schulischen Bereich, nahm ich überall teil. Es stellte sich heraus, dass ich angeblich die Beste war, wonach sie suchten. Noch schlimmer war, dass ich diese Geschichte glaubte und meiner Mutter erzählte. Ich erinnere mich, dass es drei weiße Männer und eine kenianische Frau waren. Ich dachte, dass sie die Wahrheit sagen. Ich hatte nur ein begrenztes Verständnis davon, wie die Welt funktioniert. Irgendwie brachte die kenianische Frau meine Mutter dazu, diese Geschichte ebenfalls zu glauben.“ 

Einige Tage später sollte Anastacia abgeholt werden, um nach Großbritannien zu reisen. „Ich hatte keinen Reisepass. Abgesehen davon hatte ich keine Ahnung, wie so eine Reise abläuft.“ An diesem Tag erhielt Anastacias Mutter einen Anruf vom Kinderzentrum mit der Bitte, dass ihre Tochter ins Kinderzentrum kommen möge, um ihren Brief an die Patin zu schreiben. „Der Leiter des Kinderzentrums sagte, dass ich danach wieder zur Schule gehen kann. Und es ist einfach ein Wunder. Die Männer kamen in der Schule an, als ich gerade im Kinderzentrum war.“ Da sie Anastacia in der Schule nicht antrafen, riefen sie ihre Mutter an. Sie erzählte den Männern, wo ihre Tochter gerade ist. „Ich habe die Männer natürlich die ganze Zeit erwartet. Denn ich hatte ja einen Flieger, den ich erwischen musste. Wir hatten gerade unsere Morgenandacht im Kinderzentrum, als ich die Männer durch das Fenster sah. Ich sprang auf und ging sofort zu ihnen. Sie waren ja schon ein paar Mal vorher in der Schule.“ Eine Compassion-Mitarbeiterin folgte ihr und fragte die Männer, was los sei. Auch die Leiterin des Kinderzentrums kam dazu und wusste sofort, was los war. „Die Männer waren natürlich total wütend und verärgert. Sie hatten schließlich die Erlaubnis meiner Mutter. Auch wenn sie Compassion nicht kannten, war ihnen bewusst, dass diese Leute die wahren Hintergründe kannten. Die Männer flohen.“ 

Anastacia erinnert sich an den Blick ihrer Mutter, als ihr die Compassion-Mitarbeiter die Situation erklärten:Sie war sprachlos und traurig, dass sie mich fast weggeben hätte. Sie dachte, dass dort etwas Gutes auf mich wartet. Hätte meine Mutter gewusst, dass es um Menschenhandel ging, hätte sie niemals eingewilligt. Ich denke, solche Dinge passieren, wenn man in solchen Orten aufwächst. Man denkt, man hat die Möglichkeit aufzusteigen. Ehe man sich versieht, ist es nur eine Falle. Auf wundersame Weise hat mich die Tatsache, dass ich ein Teil von Compassion war, vor einer großen Tragödie bewahrt. 

„Eine unglaubliche Reise“ 

„Ich bin sehr gesegnet, Teil von Compassion gewesen zu sein“, erzählt Anastacia fröhlich. „Da stehe ich jetzt. Es war eine unglaubliche Reise. Ich bin dankbar, dass ich meine Geschichte mit euch teilen kann.“  

Vor drei Jahren hat sie das Patenschaftsprogramm beendet. „Insgesamt 17 Jahre habe ich das Programm durchlaufen. Durch die Zeit im Compassion-Kinderzentrum habe ich gelernt, mich neue Dinge zu trauen. Ich konnte verschiedenen Aktivitäten kennenlernen, an Schulungen teilnehmen und habe neue Dinge kennengelernt. Dadurch habe ich die Sehnsucht entwickelt, mehr zu tun und mehr zu sein. Auch im Bezug auf andere Menschen, für andere Kinder. Mein Wunsch ist es immer noch, etwas anderes zu wollen als das, was ich gewohnt war.“  

Anastacia hat nicht nur die Grundschule und Highschool besucht, sondern hat einen Masterabschluss in der Tasche. Was die Zukunft für sie bringt? „Ich möchte gerne in einem Bereich arbeiten, in dem ich mehr Menschen, benachteiligte Menschen unterstützen kann. Die Vision, die ich habe ist, an einem Ort zu sein, der für Kinder eine Inspiration ist und der ihnen vor allem greifbare Vorteile bietet. Wie das genau aussehen kann, bin ich noch am Herausfinden.“ 

Ein drastischer Gegensatz zu dem, wie sie aufgewachsen ist. „Heute kann ich selbst entscheiden, wann ich etwas esse oder ob ich nur eine Mahlzeit am Tag habe“, so Anastacia. „Aber im Slum als Kind ist es eine Art Überlebensstrategie. Man tut es, weil man es muss. Ungewöhnlich war es nicht, keine drei Mahlzeiten zu haben – und drei sind schon weit hergeholt“, blickt sie auf die Zeit zurück.“ 

Anastacia kann nicht genau sagen, welchen Jobs ihre Mutter alles nachging. „Meine Mutter hat die Jobs gemacht, die sie kriegen konnte. Sie hat zum Beispiel als Reinigungskraft oder in der Landwirtschaft gearbeitet. Meine Eltern haben das Nötige getan, um Essen auf den Tisch zu bringen. Aber ein beständiges Einkommen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, hatten sie nie.“ 

Das Leben im Slum, so beschreibt es Anastacia, war vorhersehbar. „Du wachst morgens auf und entscheidest dich, nicht zur Schule zu gehen. Nicht weil du keine Lust hast, sondern weil du beispielsweise nicht einschätzt, wie wichtig schulische Bildung ist. Oder du möchtest deinen Eltern helfen, Essen auf den Tisch zu bringen. Vielleicht haben sie einen kleinen Marktstand und du möchtest sie dort unterstützen.“  

Es waren nicht nur die finanziellen Sorgen, die den Alltag erschwerten. „Eine größere Herausforderung war der Mangel an Perspektive. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie das Leben außerhalb des Slums ist.“  

Jeden Tag ist man im Slum dem Druck und dem Kreislauf der Umgebung ausgesetzt. „Menschen tun dort alles, um zu überleben. Es war nicht ungewöhnlich, dass Leute aus nächster Nähe erschossen wurden“, beschreibt Anastacia die brutale Realität. „Junge Leute werden von der Polizei erschossen, weil sie Teil einer Gang sind. Manchmal triffst du Freunde oder Menschen, mit denen man aufgewachsen ist und allein das erhöht das Risiko zu sterben – einfach durch Assoziation.“ So verlief praktisch Anastacias Leben. „Es geht nur ums Heute. Niemand kümmert sich um Morgen“, fasst die Kenianerin die Wirklichkeit zusammen, in der sie aufwuchs.  

Ein Hoffnungsschimmer? 

Anastacia war gerade fünf Jahre alt, als ihre Mutter ihr freudestrahlend mitteilte, dass sie am Compassion-Patenschaftsprogramm teilnehmen darf. „Ich wusste nicht, was das genau bedeutete. Aber ich kannte Kinder, die ins Compassion-Kinderzentrum gingen. Und wir, die dort nicht hingingen, waren immer ein bisschen neidisch auf die anderen.“ 

Die Mädels und Jungs, die das Kinderzentrum besuchten, brachten oft etwas zu essen mit nach Hause, erinnert sich Anastacia. Die Geburtstage der Kinder und Jugendlichen wurden dort gefeiert. „Es waren die kleinen Dinge, bei denen ich dachte: ‚Ok, da werde ich dabei sein.‘“ 

Das Kinderzentrum, das Anastacia von nun an einmal die Woche besuchte, lag in der Vorstadt – etwa 30 Minuten lief sie dort zu Fuß hin. Als sie dort das erste Mal hinging, sah sie die vielen Häuser, bemerkte aber, dass dort viel weniger Menschen wohnten. Es war das Gegenteil des Viertels, in dem sie lebte. „Das Leben sah dort einfach komplett anders aus. Zwischen dem Ort, wo ich wohnte, und dem Compassion-Kinderzentrum lagen Welten.“ 

Das weckte Anastacias Neugier und auch Eifer. „Ich dachte, ich kann vielleicht ein besseres Leben haben. Es gibt Leute, die dieses Leben leben. Es ist einer der wichtigsten Gründe, warum sich etwas in mir verändert hat. Ich habe ein Leben kennengelernt, von dem ich vorher nichts wusste.“ Die 25-Jährige fügt hinzu: „Wisst ihr, man kommt aus einer Gegend, in der die Menschen damit beschäftigt sind, zu überleben. Niemand denkt darüber nach, was aus dir werden könnte. Sie haben einfach keine Zeit dafür.“  

Im Compassion-Kinderzentrum nahmen sich die Mitarbeiter bewusst Zeit für Anastacia und die anderen Kinder und Jugendlichen. „Sie kümmerten sich um mich, sprachen mit meinen Eltern und schlugen ihnen zum Beispiel Schulen für mich vor. Das war eine wunderbare Erfahrung. Man sieht, welche Möglichkeiten es für einen geben würde. Mir gab das sehr viel Hoffnung.“  

Auch eine Patin an ihrer Seite zu wissen, hat für Anastacia einen Unterschied gemacht. „Meine Patin hat mich ermutig und daran erinnert, dass so viel Potenzial in mir steckt. Ich erinnere mich, dass sie mir damals schrieb, dass sie die Uni besucht. Mein erster Gedanke war: ‚Das werde ich vermutlich auch eines Tages machen.‘ Es waren Dinge, von denen ich nichts wusste, aber dachte. Das möchte ich versuchen.“ 

Was genau im Kinderzentrum passierte, daran erinnert sich Anastacia nicht mehr im Detail. Viele Dinge hätte sie wohl nicht erlebt, Ausflüge zum Nationalpark zum Beispiel. Und es gab Kuchen. „Die Compassion-Mitarbeiter fragten uns, wer in dem Monat Geburtstag hat. Wir sollten die Hand heben. Denn dann gab es Geburtstagskuchen für die Kinder. Der Legende nach hatte ich jeden Monat Geburtstag und habe von jedem Geburtstagskuchen probiert.“ 

Ein kleines großes Wunder 

Anastacia war zwölf Jahre, als in der Schule einige Leute auftauchten, die von einem Casting sprachen und nach einer Schauspielerin suchten, um in Großbritannien zu arbeiten. „Weil ich eine sehr engagierte Schülerin war, egal ob im schulischen oder nicht-schulischen Bereich, nahm ich überall teil. Es stellte sich heraus, dass ich angeblich die Beste war, wonach sie suchten. Noch schlimmer war, dass ich diese Geschichte glaubte und meiner Mutter erzählte. Ich erinnere mich, dass es drei weiße Männer und eine kenianische Frau waren. Ich dachte, dass sie die Wahrheit sagen. Ich hatte nur ein begrenztes Verständnis davon, wie die Welt funktioniert. Irgendwie brachte die kenianische Frau meine Mutter dazu, diese Geschichte ebenfalls zu glauben.“ 

Einige Tage später sollte Anastacia abgeholt werden, um nach Großbritannien zu reisen. „Ich hatte keinen Reisepass. Abgesehen davon hatte ich keine Ahnung, wie so eine Reise abläuft.“ An diesem Tag erhielt Anastacias Mutter einen Anruf vom Kinderzentrum mit der Bitte, dass ihre Tochter ins Kinderzentrum kommen möge, um ihren Brief an die Patin zu schreiben. „Der Leiter des Kinderzentrums sagte, dass ich danach wieder zur Schule gehen kann. Und es ist einfach ein Wunder. Die Männer kamen in der Schule an, als ich gerade im Kinderzentrum war.“ Da sie Anastacia in der Schule nicht antrafen, riefen sie ihre Mutter an. Sie erzählte den Männern, wo ihre Tochter gerade ist. „Ich habe die Männer natürlich die ganze Zeit erwartet. Denn ich hatte ja einen Flieger, den ich erwischen musste. Wir hatten gerade unsere Morgenandacht im Kinderzentrum, als ich die Männer durch das Fenster sah. Ich sprang auf und ging sofort zu ihnen. Sie waren ja schon ein paar Mal vorher in der Schule.“ Eine Compassion-Mitarbeiterin folgte ihr und fragte die Männer, was los sei. Auch die Leiterin des Kinderzentrums kam dazu und wusste sofort, was los war. „Die Männer waren natürlich total wütend und verärgert. Sie hatten schließlich die Erlaubnis meiner Mutter. Auch wenn sie Compassion nicht kannten, war ihnen bewusst, dass diese Leute die wahren Hintergründe kannten. Die Männer flohen.“ 

Anastacia erinnert sich an den Blick ihrer Mutter, als ihr die Compassion-Mitarbeiter die Situation erklärten:Sie war sprachlos und traurig, dass sich mich fast weggeben hätte. Sie dachte, dass dort etwas Gutes auf mich wartet. Hätte meine Mutter gewusst, dass es um Menschenhandel ging, hätte sie niemals eingewilligt. Ich denke, solche Dinge passieren, wenn man in solchen Orten aufwächst. Man denkt, man hat die Möglichkeit aufzusteigen. Ehe man sich versieht, ist es nur eine Falle. Auf wundersame Weise hat mich die Tatsache, dass ich ein Teil von Compassion war, vor einer großen Tragödie bewahrt. 

„Eine unglaubliche Reise“ 

„Ich bin sehr gesegnet, Teil von Compassion gewesen zu sein“, erzählt Anastacia fröhlich. „Da stehe ich jetzt. Es war eine unglaubliche Reise. Ich bin dankbar, dass ich meine Geschichte mit euch teilen kann.“  

Vor drei Jahren hat sie das Patenschaftsprogramm beendet. „Insgesamt 17 Jahre habe ich das Programm durchlaufen. Durch die Zeit im Compassion-Kinderzentrum habe ich gelernt, mich neue Dinge zu trauen. Ich konnte verschiedenen Aktivitäten kennenlernen, an Schulungen teilnehmen und habe neue Dinge kennengelernt. Dadurch habe ich die Sehnsucht entwickelt, mehr zu tun und mehr zu sein. Auch im Bezug auf andere Menschen, für andere Kinder. Mein Wunsch ist es immer noch, etwas anderes zu wollen als das, was ich gewohnt war.“  

Anastacia hat nicht nur die Grundschule und Highschool besucht, sondern hat einen Masterabschluss in der Tasche. Was die Zukunft für sie bringt? „Ich möchte gerne in einem Bereich arbeiten, in dem ich mehr Menschen, benachteiligte Menschen unterstützen kann. Die Vision, die ich habe ist, an einem Ort zu sein, der für Kinder eine Inspiration ist und der ihnen vor allem greifbare Vorteile bietet. Wie das genau aussehen kann, bin ich noch am Herausfinden.“ 

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