Berufskurse schaffen finanzielle Unabhängigkeit
In einer fairen Gesellschaft hätten alle Menschen ähnliche Chancen, Ressourcen und Möglichkeiten unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Religionszugehörigkeit. Durch soziale Ungleichheiten wie zum Beispiel die Kluft zwischen Arm und Reich wird die Chancengleichheit viel zu oft eingeschränkt und das kann Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe haben.
Besonders die über 700 Millionen Menschen, die in extremer Armut leben, haben aufgrund der sozialen Ungleichheit oft nicht die Möglichkeit, ihr volles Potenzial zu entfalten und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.i Denn Armut wirkt sich auf jeden Lebensbereich aus: Mangelnde Gesundheitsversorgung, keinen Zugang zu Bildung oder sie haben nicht genug zu essen. Kinder spüren die Auswirkungen ihr ganzes Leben. Nach UNICEF Schätzung leben rund 356 Millionen Mädchen und Jungen in extremer Armut.ii Mikiyas aus Äthiopien ist einer von ihnen.
„Meine Lebensumstände ließen es nicht zu, an meine Träume zu glauben“, sagt der 17-jährige Mikiyas. „Es war immer mein Wunsch, meiner Mutter zur Seite zu stehen und gemeinsam mit ihr für die Familie zu sorgen. Ich wollte auch meine Träume verfolgen, aber ich habe nicht genügend Geld verdient.“
Schon als kleiner Junge hat Mikiyas erlebt, wie sehr sich seine Mutter abmühte, ihre vier Kinder zu versorgen. Sie machte immer weiter und versuchte durch verschiedene kleine Geschäfte ein Einkommen zu erwirtschaften. Als ältester Sohn versuchte Mikiyas, etwas zum Lebensunterhalt beizutragen. Nach der Schule wusch er Autos oder machte Besorgungen für die Familie. Das Geld, das er damit verdiente, brachte kaum Veränderung.
Was tut Compassion Deutschlang gegen soziale Ungerechtigkeit?
Die Gründe für soziale Ungerechtigkeit sind vielfältig und komplex. Weltweit wird beispielsweise die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Viele Kinder in extremer Armut können nicht in die Schule gehen, weil die Eltern das Schulgeld nicht bezahlen können. Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie ist die Zahl derer, die in extremer Armut leben, im Jahr 2020 um rund 11 Prozent – von 648 Millionen auf 719 Millionen – gestiegen.iii Momentan trifft auch die Lebensmittelkrise rund 349 Millionen Menschen besonders hart. Die Betroffenen können sich aufgrund der steigenden Lebensmittelpreise oder der anhaltenden Dürren die lebensnotwendigen Dinge nicht mehr leisten.
Auch Ausgrenzung aufgrund von Diskriminierung kann eine Ursache für soziale Ungerechtigkeit sein. Häufig sind zum Beispiel Frauen in ihrer ökonomischen Situation benachteiligt, weil sie zum Beispiel weniger Zugang zu Land oder Krediten haben.iv Laut UN sind über 70 Prozent der Frauen weltweit von Armut betroffen. Sie haben keinen Zugang zu Bildung, zur Gesundheitsversorgung oder finden keine reguläre Arbeit.v
In Bezug auf Bildung gibt es immer noch große Unterschiede in der Geschlechtergleichheit. Laut UNESCO gehen weltweit etwa 118 Millionen Mädchen und etwa 125 Millionen Jungen nicht zur Schule. Trotzdem sind zwei Drittel aller Erwachsenen, die nicht lesen können, Frauen.vi
Mit dem 1-zu-Patenschaftsprogramm möchte Compassion der sozialen Ungleichheit entgegenwirken und Kinder und Jugendliche in extremer Armut fördern. Die lokalen Partnerkirchen von Compassion haben immer die ganzheitliche und individuelle Unterstützung der Mädchen und Jungen im Blick. Die Compassion-Mitarbeiter kennen die Herausforderungen und Lebensbedingungen des jeweiligen Landes.
Die Mitarbeiter unterstützen zum Beispiel durch Nachhilfe, Hausaufgabenbetreuung oder durch verschiedene berufsbezogene Kursangebote. Diese sollen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen und dazu beitragen, die wirtschaftliche Selbstversorgung der Jugendlichen langfristig zu gewährleisten, um aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Mikiyas startet durch
Eine lokale Partnerkirche von Compassion in Äthiopien setzt das auf besondere Weise um. Sie organisierten Berufskurse für die Jugendlichen und stellten ihnen Startkapital in Form eines Kredites zur Verfügung. Die Jugendlichen konnten ihre Ideen dann in die Tat umsetzen. Die Initiative hatte einen erheblichen Einfluss auf die Jugendlichen, die sich in die Berufswelt hinauswagten.
Die Schulung konzentrierte sich darauf, dass die Jugendlichen ihre Interessen und Fähigkeiten entdecken und ihnen verschiedene Unternehmen und Betriebe vorgestellt wurden. Die Geschäftsideen der Jugendlichen wurden nach dem Kurs von den Schulungsleitern und den Mitarbeitern des Kinderzentrums auf ihre Durchführbarkeit geprüft. Da Mikiyas am Compassion-Patenschaftsprogramm teilnimmt, war er einer der Ersten, der davon profitierte.
Der Verkauf von Waren, die Wartung von Fahrrädern, die Vermietung eines Kickertisches oder der Betrieb eines Fast-Food-Standes waren einige der Geschäftsideen der Jugendlichen. Viele waren durch das Startkapital des Kinderzentrums in der Lage, ihre Ideen in kurzer Zeit umzusetzen. Ihre Begeisterung und ihr Eifer, dass Gelernte anzuwenden, verdeutlichten, dass die Schulung wichtig für die Jugendlichen war.
„Die Jugendlichen waren so enthusiastisch und hatten große Ideen“, sagt Letarik, der Leiter des Compassion-Kinderzentrums. „Ihre Leidenschaft machte den Prozess sehr angenehm. Wir haben die Erfolge schneller gesehen als erwartet. Es ermutigt uns zu wissen, dass die Jugendlichen das notwendige Handwerkszeug erhalten, um finanziell unabhängig zu werden und ihre Träume zu verfolgen. In einem Land, in dem die Zahl der College-Absolventen und die Jobmöglichkeiten ungerecht verteilt sind, ist es gut, dass die Kinder aus dem Compassion-Patenschaftsprogramm über zusätzliche Fähigkeiten verfügen, um beruflich erfolgreich zu sein.“
Mikiyas verschwendete keine Zeit verschwendet, um seine Geschäftsidee umzusetzen. Mit dem Werkzeug, das er vom Kinderzentrum erhalten hatte, begann er Fahrräder zu vermieten, sie zu reparieren und sie instand zu setzen. Nach einer Weile hatte er genug Geld zusammengespart, um einen kleinen Laden für Handelsware zu eröffnen.
„Vor dem Kurs wusste ich nicht, wie ich meine Träume verwirklichen kann und hatte auch nicht die notwendigen Ressourcen“, sagt Mikiyas. „Ich wusste ein wenig, wie man einen Laden führt, weil ich meine Mutter immer bei ihrer Arbeit beobachtet habe. Durch den Kurs habe ich eine klarere Vorstellung bekommen und konnte mir viel Wissen aneignen. Das Startkapital spielt natürlich auch eine große Rolle für meinem Erfolg.“
Der 17-Jährige hatte bei einem Shop nicht aufgehört, sondern kaufte einen Kickertisch. Die Leute aus der Umgebung konnten für ein bisschen Geld eine Runde Tischfußball spielen. Nach der Schule verkauft er in seinem Laden auch Pommes. Mittlerweile hat Mikiyas seinen kleinen Kredit abbezahlt und verdient seinen Lebensunterhalt. Sein Traum, seine Mutter finanziell zu unterstützen, ist sein größter Erfolg. An einem guten Tag verdient er rund 26 Euro.
„Das Compassion-Kinderzentrum hat mich in jedem Lebensbereich unterstützt“, sagt er. „Wenn ich über meine Schul- und Ausbildung nachdenke, wird der Einfluss sichtbar. Ich habe meine Leidenschaft durch die Art und Weise gefunden, wie uns die Mitarbeiter begleitet und unterstützt haben. Sie haben mir den Weg geebnet, um erfolgreich zu sein.“
Die Mitarbeiter des Kinderzentrums verfolgten die beruflichen Aktivitäten der Jugendlichen und ermutigten durch Tipps und Ratschläge. „Es macht uns selbst Mut, dass wir den Erfolg der Schüler sehen“, sagt Letarik. „Viele sind noch in der Schule und können beides gleichzeitig machen. Sie dürfen ihre Schularbeiten nicht vernachlässigen. Darauf achten wir.“
Der Erfolg ihres Sohnes ist nicht das einzige, worüber sie sich Tsege freute. Es machte sie stolz, dass er seine Leidenschaft zum Beruf machen konnte. Außerdem begann Mikiyas, sich ehrenamtlich zu engagieren. In der Nachbarschaft wurde er dafür bekannt, dass er älteren Menschen hilft und diejenigen unterstützt, die in Not geraten sind. Er organisierte bereits Spendenaktionen und ermutigt seine Mitschüler in der Schule und im Kinderzentrum, sich ebenfalls freiwillig für andere einzusetzen. Außerdem machte Mikiyas Hausrenovierungen möglich und organisierte besondere Mahlzeiten für diejenigen, die es sich nicht leisten können.
„Mikiyas ist mein engster Vertrauter. Er hat mitbekommen, was ich alles durchmachen musste, seit sein Vater gestorben ist. Er wollte mir immer die Last nehmen, obwohl ich immer nur wollte, dass er sich auf seine Schule konzentriert. Wir sind dankbar, dass Compassion uns zur Seite steht. Sie haben ihn gefördert und unterstützt und haben maßgeblich zu seinem Erfolg beigetragen. Ich segne sie jeden Tag“, sagt Tsege.
i Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Armut besiegen, in:
bmz.de, https://www.bmz.de/de/themen/armut#:~:text=Nach%20Berechnungen%20der%20Weltbank%20leben,1%2C3%20Milliarden%20Menschen%20betroffen., letzter Aufruf: 13.02.23
ii UNICEF, Child poverty, in: unicef.org, https://www.unicef.org/social-policy/child-poverty#:~:text=An%20estimated%20356%20million%20children%20live%20in%20extreme%20poverty., letzter Aufruf: 13.02.2023
iii World Bank, Poverty and Shared Prosperity 2022, Correcting Course, in: worldbank.org, https://openknowledge.worldbank.org/bitstream/handle/10986/37739/9781464818936ov.pdf, letzter Aufruf: 13.02.23
iv UN Women Deutschland, Verbesserung der ökonomischen Situation von Frauen, in: un.women.de, https://unwomen.de/verbesserung-der-okonomischen-situation-von-frauen/ , letzter Aufruf: 13.02.2023
v UN Women Deutschland, Verbesserung der ökonomischen Situation von Frauen, in: un.women.de, https://unwomen.de/verbesserung-der-okonomischen-situation-von-frauen/ , letzter Aufruf: 13.02.2023
vi UNESCO, Gender Equality, in: unesco.org, https://www.unesco.org/en/gender-equality/education, letzter Aufruf: 13.02.23