Keylings Weg zu mehr Selbstvertrauen

Nicaragua

Als ich jünger war, wusste ich nicht, was es bedeutet, sich selbst zu lieben. Mir wurde nicht beigebracht, dass ich etwas Besonderes bin. Früher saß meine Mutter mit meiner Schwester und mir in unserem kleinen Wohnzimmer. Unsere nackten Füße berührten den kalten, schmutzigen Boden, der sich mit jedem Windstoß in Staubwolken auflöste. Meine Mutter wusste nicht, was sie hätte tun können, um uns ein schöneres Heim oder eine bessere Ausbildung zu ermöglichen. Nur langsam verstanden wir, wie verzweifelt sie gewesen sein muss. 

Mein Name ist Keyling. Als ich neun Jahre alt war, begann ich das Compassion-Kinderzentrum hier Nicaragua zu besuchen. In der Vergangenheit haben mich die anderen Kinder gemieden, weil meine Kleidung nicht so sauber war wie ihre. Manchmal habe ich sie gehört, wie sie über mich geredet haben und darüber, wie meine Haare aussahen. 

In der Nachbarschaft wussten die Leute, dass es meiner Mutter nicht gut ging. Sie zeigten auf uns, tuschelten oder lachten über unsere alten Schuhe, unsere abgenutzte Kleidung oder unser zerzaustes Haar. Meine Familie war in dieser Zeit in einer schwierigen finanziellen Situation, da meine Mutter keinen festen Job hatte. Sie musste sich um uns vier Mädchen kümmern. Das Geld reichte nicht, um über die Runden zu kommen.  

Meine Mutter zog sich deswegen zurück und fühlte sich schlecht.

„Ich fühlte mich nicht stark genug, um allein aufzustehen oder einen Weg zu finden, um unsere finanzielle Situation zu verbessern. Ich konnte meinen Töchtern nicht die Liebe und Fürsorge geben, die sie verdienten“, sagt meine Mutter Lydia rückblickend. 

alt="Keyling steht vor Ihrem Haus in Nicaragua Keylings Weg zu mehr Selbstvertrauen Blogebeitrag Compassion Deutschland"

In dieser Zeit lernte ich Keyling, eine Mitarbeiterin aus dem Compassion-Kinderzentrum kennen. Ich war überrascht, dass wir denselben Namen hatten. Ihr war aufgefallen, dass ich nicht mit den Kindern in meiner Klasse sprach. Ich war schon immer eher schüchtern aufgrund meiner Krankheit. Durch das Verhalten der anderen Kinder zog ich mich noch mehr zurück. Ich leide an einer Schilddrüsenüberfunktion. Das führt dazu, dass meine Hände zittern, mein Haar und meine Haut manchmal sehr spröde sind und meine Augen ein wenig anders aussehen.  

Ich wusste schon, dass ich anders ausschaue. Die Art und Weise, wie ich von anderen behandelt wurde, erinnerte mich ständig daran. Deswegen fühlte ich mich nicht wohl. Als Keyling aus dem Kinderzentrum das bemerkte, fing sie an, sich vor und nach dem Unterricht mit mir zu unterhalten.  

„Ich erinnere mich, dass die Kinder die Stühle von Keyling wegschoben. Das wollte ich nicht zulassen. Ich wollte den Kindern etwas über die Liebe Gottes, die er für uns alle hat, beibringen und Keyling dabei unterstützen, sich selbst anzunehmen und ein stärkeres Selbstbewusstsein zu entwickeln“, sagt Keyling über die ersten Male, als sie mich in ihrer Klasse sah.  

Meine Schwester Jacoba und ich besuchten beide das Kinderzentrum. Keyling und Veronica, die Leiterin des Kinderzentrums, nahmen sich immer wieder Zeit, um mit uns über den Tag zu sprechen. Sie fragten uns, wie sie uns unterstützen könnten. Zuerst planten sie einen Hausbesuch bei uns, weil sie gerne unsere Mutter besser kennenlernen wollten und sich ein Bild machen wollten, wie wir leben.  

alt="Keyling mit Freundin in Nicaragua Keylings Weg zu mehr Selbstvertrauen Blogebeitrag Compassion Deutschland"

„Als ich die Mutter Lydia kennengelernt habe, wurde mir einiges klarer. Die Verzweiflung der Mutter wirkte sich auf das Wohlbefinden der Mädchen aus. Uns war bewusst, dass wir die Mädchen unterstützen müssen“, sagt Veronica nach ihrem ersten Besuch bei uns. 

Bei ihrem zweiten Besuch kamen sie nicht allein. Sie brachten eine Gruppe von Leuten mit, die meiner Mutter halfen, die Wohnung aufzuräumen und den Müll wegzubringen, der sich über die Jahre ansammelte  

„Lydia war anfangs sehr schüchtern. Wir versicherten ihr, dass wir sie und ihre Töchter unterstützen wollen. Wir begannen die Küche wieder auf Vordermann zu bringen, den gesammelten Müll im Hinterhof zu verbrennen und die Wäsche der Mädchen zu waschen“, erzählt Veronica. 

Im Kinderzentrum nahm sich Keyling immer Zeit, um mit mir zu reden. Sie erinnerte mich daran, dass Gott mit mir ist, dass ich einzigartig bin und er einen Plan für mein Leben hat. Vor Beginn jeder Stunde richtete sie meine Haare und achtete darauf, dass meine Kleidung sauber war. Wenn meine Kleidung Löcher hatte oder zerrissen war, flickte Keyling sie. Nach dem Unterricht stellte sie sicher, dass ich Essen mit nach Hause nehmen konnte, damit wird keine Mahlzeit aussetzen mussten.  

Die Mitarbeiter im Kinderzentrum betonten immer wieder, dass Gott jeden von uns liebt und dass wir Liebe, Mitgefühl und Verständnis füreinander haben sollen. In der Zeit, als andere mich gemieden haben, durfte ich lernen, was es heißt, geliebt zu werden. Keyling hat mich in dieser Zeit durch so viele Dinge unterstützt und mir gesagt, dass ich einzigartig bin. 

alt="Keyling mit Briefen von Paten in Nicaragua Keylings Weg zu mehr Selbstvertrauen Blogebeitrag Compassion Deutschland"

Langsam merkte ich, dass meine Mitschüler begannen, sich mir gegenüber anders zu verhalten. Viel wichtiger war, dass ich eine Veränderung an mir selbst festgestellt habe. Ich fühlte mich selbstbewusster und habe mich Keyling anvertraut. Ich erzählte ihr von meinen Sorgen und Ängsten, aber auch von meinen Träumen und Zielen. Die Dinge, die Keyling über mich sagte, begann ich selbst zu glauben. Ich bin einzigartig. Gott liebt mich und ich bin ihm wichtig. 

Veronica und Keyling besuchten weiterhin meine Mutter und ermutigten sie:

„Ich begann mich stärker und besser zu fühlen“, sagt meine Mutter. „Ich war in der Lage, meine Töchter zu ermutigen, weiterzumachen und dem Herrn zu vertrauen. Ich hatte noch nie Träume oder Ziele für mich selbst. Jetzt habe ich welche und habe auch große Hoffnung für meine Töchter.“  

Durch Keylings Unterstützung spiegelte sich die in innere Veränderung auch äußerlich wider. Sie hat mir beigebracht, wie ich meine Haare frisiere und wie ich mich, um mich selbst kümmere. Keyling zeigte meiner Familie und mir, wie wichtig Hygiene ist. Das tut nicht nur unserer Gesundheit gut, sondern wirkt sich auf unser Wohlbefinden aus.  

Dass ich mich selbst besser fühle, ist auch für andere sichtbar. Ich habe angefangen, mit anderen mehr zu sprechen, Freundschaften zu schließen und mich mehr im Unterricht einzubringen.  

„Sie wurde immer kontaktfreudiger, lächelte mehr und war fröhlich. Ihre Schwestern veränderten sich auch. Wenn ich sie draußen sah, in sauberer Kleidung, mit ordentlichen Frisuren, freute ich mich, dass wir sie unterstützen konnten“, sagt Keyling aus dem Kinderzentrum über den Wandel der Familie.  

alt="Keyling mit Familie vor ihrem Haus Nicaragua Keylings Weg zu mehr Selbstvertrauen Blogebeitrag Compassion Deutschland"

Im Kinderzentrum haben sie meine Familie unterstützt, damit sich unsere Lebensbedingungen verbessern. Jetzt kann ich in die Zukunft blicken und weiß, dass ich eine Mutter habe, auf die ich mich verlassen kann. Und: Meine zweite Familie im Compassion-Kinderzentrum ist für mich da. Ich kann jetzt in den Spiegel schauen und voller Selbstvertrauen sagen: Ich bin geliebt. Ich bin einzigartig. 

Autor und Bericht: Junieth Dinarte, Compassion Nicaragua 

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